Gerlinde (67): "Ich kann ihm wieder vertrauen"

Als ich meinen jetzigen Mann kennenlernte, war er trockener Alkoholiker. Er hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Entgiftung und eine sechsmonatige Reha hinter sich. Er erzählte mir von seiner Suchterkrankung erst kurz vor unserer Hochzeit. Ich machte mir aber keine großen Gedanken darüber. Mir war die Problematik dieser Krankheit völlig unbekannt.

 

Versprechen, Rückfälle, Enttäuschungen

Etwa fünf Jahre nach unserer Hochzeit hatte er einen Rückfall. Er besuchte daraufhin eine Selbsthilfegruppe. Dort wurde ihm mit vielen Gesprächen wieder geholfen. Aber seine Trockenphase hielt nicht lange an. Immer wieder baute er Rückfälle, die sich dann auch negativ auf unser Familienleben auswirkten. Er verlor die Arbeitsstelle und seinen Führerschein. Unser Leben war ein ewiges Auf und Ab mit Versprechen, Rückfällen, Enttäuschungen. Mit der Zeit wurde mein Mann auch aggressiv. Seine verbalen Angriffe gingen weit unter die Gürtellinie.

Zu dieser Zeit war unser Sohn zehn Jahre alt. Mir wurde klar: Um ihn und mich zu schützen, musste etwas passieren. Ich stellte meinen Mann zum wiederholten Mal vor die Wahl: Alkohol oder Familie. Er versprach uns mal wieder, keinen Alkohol mehr zu trinken und eine Therapie zu machen. Ich wollte meine Familie zusammenhalten und glaubte ihm mal wieder. Doch die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten. Er fiel in sein altes Leben zurück. Der Alkohol hatte ihn wieder im Griff.

 

Sein Leben war ein einziger Scherbenhaufen

Daraufhin suchte ich mir mit meinem Sohn eine eigene Wohnung und verließ meinen Mann. Er verlor dadurch immer mehr die Kontrolle über sein Leben und gab sich ganz dem Alkohol hin. Sein Leben war inzwischen ein einziger Scherbenhaufen: alleine, ohne Arbeit und ohne Wohnung. Da unser Kontakt nie gänzlich abgebrochen war, wollte ich ihm ein letztes Mal beistehen. In Absprache mit ihm und unserem Hausarzt machte er einen erneuten Entzug und eine dreimonatige Reha. Während dieser Zeit hatten wir sehr wenig Kontakt. Ich wollte, dass er diese Zeit nutzt und begreift, dass der Alkohol sein Leben ruiniert.

 

Er bekam sein Leben wieder in den Griff

Und tatsächlich, er bekam sein Leben wieder in den Griff. Ein halbes Jahr nach seiner Reha zogen wir wieder in eine gemeinsame Wohnung. Wir besuchen seitdem regelmäßig eine Selbsthilfegruppe und sind dort auch ehrenamtlich tätig.

Vor einigen Jahren lernte ich den Deutschen Frauenbund für alkoholfreie Kultur kennen. Ich besuchte die Treffen und fühlte mich dort schnell wohl. Die Gespräche von Frau zu Frau taten mir sehr gut. Ich fühlte mich verstanden. Inzwischen bin ich dort vielseitig ehrenamtlich tätig. Ich weiß: So wie mir kann auch anderen dort geholfen werden. Inzwischen sind mein Mann und ich 32 Jahre verheiratet. Wir führen eine sehr harmonische und verständnisvolle Beziehung. Ich kann ihm wieder vertrauen.

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