Karin (63): Meine Jahre mit einem Alkoholiker

Den Verdacht, dass mein Mann trinkt, hatte ich schon länger: Er trank abends zwei Bier, war dann müde und ging ins Bett. Ein typischer Spiegeltrinker. Ganz auffällig wurde es dann, als er plötzlich epileptische Anfälle (Entzugskrämpfe) bekam. Ich habe den Alkohol zu Hause vernichtet und meinen Mann kontrolliert. Aber der Alkohol war immer wieder da.   

Mein Mann zog sich immer mehr zurück, es gab keine gemeinsamen Aktivitäten mehr. Unsere Tochter und ich waren ihm egal – das habe ich so empfunden. Auf der Arbeitsstelle bekam er einmal einen epileptischen Anfall. Ihm wurde nahegelegt, eine Therapie zu machen, sonst wäre er gekündigt worden. Für mich war das eine große Belastung, aber der Alltag musste weitergehen. Ängste kamen hoch: Was passiert, wenn er die Kündigung bekommt? Die erste Entgiftung unter ärztlicher Aufsicht folgte im Anschluss an eine Entwöhnungstherapie. Allerdings trank mein Mann weiter.   

 

Ich habe mir Beratung für mich geholt

Ich habe dann eine Beratungsstelle aufgesucht und mir wurde eine Selbsthilfegruppe empfohlen. Meinen Mann konnte ich nicht motivieren, mitzugehen. Zum ersten Mal hatte ich dort das Gefühl, dass ich und mit meinem Problem ernstgenommen wurde. Ein Jahr habe ich mir dort Hilfe und Unterstützung geholt und dadurch gelernt, mit dem Problem anders umzugehen. Mir wurde klar, dass ich so nicht weiterleben wollte. Ich reichte die Scheidung ein. Mein Mann war dann doch zweimal mit mir in der Gruppe.

Von seiner Firma bekam er die Auflage, eine Therapie zu machen. Er musste auch eine Verpflichtung unterschreiben, sich innerhalb eines halben Jahres zu bewähren. Sonst bekäme er sofort die Kündigung. So musste er sich in der Firma rehabilitieren. Ich habe meinen Mann öfter aufgefordert, mit dem Trinken aufzuhören, aber es war wohl nicht eindringlich genug.

 

Nervenzusammenbruch!

Nach einem dreiwöchigen Urlaub mit meiner Tochter – meinen Mann wollte ich nicht dabeihaben – änderte sich die Situation schlagartig. Seine Alkoholfahne kam mir schon am Bahnhof entgegen. Zu Hause hatte mein Mann in den drei Wochen nichts verändert. Bei mir kam es zu einem körperlichen und nervlichen Zusammenbruch. Das löste bei meinem Mann sehr viel aus: Er machte eine dreiwöchige Entziehungskur und eine ambulante Therapie.

Danach versuchte ich, das Vertrauen neu aufzubauen, was zunächst auch irgendwie gelang und neue Zuversicht gab. Allerdings stellte sich heraus, dass wir den normalen Alltag nicht gemeinsam bewältigen konnten, also trennten wir uns nach acht Jahren seiner Abstinenz.

Noch heute besuche ich regelmäßig eine Selbsthilfegruppe. Hilfe bekam ich in den vielen Jahren auch von meiner Schwester. Sie war die Anlaufstelle für meine Tochter. Mir wurde deutlich, dass ich mit diesem Problem nicht alleinstehe. Heute weiß ich: Niemand muss mit der Situation einer Alkoholkrankheit allein klarkommen. Heute führe ich ein zufriedenes abstinentes Leben.

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