Erika (64): Ein beinahe tödlicher Rückfall

Mit 15 Jahren habe ich angefangen Alkohol zu trinken – meistens Bier, selten mal einen Schnaps. Meinen ersten Vollrausch hatte ich mit 16, auf einer Silvesterparty. In der Pubertät war Alkohol mein ständiger Begleiter. Ich fühlte mich stark, weniger gehemmt und gut gelaunt. Auf allen Partys sorgte ich für Stimmung und konnte viel trinken, ohne betrunken zu sein.

Mit 17 lernte ich meinen Mann kennen, und mit 18 war ich schwanger. Plötzlich schmeckte mir der Alkohol nicht mehr. Während der Schwangerschaft habe ich nichts getrunken. Wir haben geheiratet und bekamen einen Sohn. Das zweite Kind war ein Mädchen – unser Glück war vollkommen.

 

Mit einem Bierchen klappte alles viel besser

Wenn gefeiert wurde, trank ich dann wieder Alkohol. Es war ein schleichender Prozess: Ich fing an, den Alkohol in meinem Tagesablauf einzubauen, wenn ich mich überfordert fühlte. Mit einem Bierchen oder auch mal einem Likör klappte alles viel besser. Mein Mann arbeitete viel – auch am Wochenende, so war ich oft allein mit den Kindern.

Als ich 30 Jahre war, sind wir umgezogen in ein altes Bauernhaus. Ich fühlte mich eigentlich stark, wurde aber mit der zunehmenden Arbeit überhaupt nicht mehr fertig.  So trank ich öfter und dachte, es merkt keiner. Wenn meine Mutter sagte: „Erika du trinkst zu viel, denk doch an Papa!“, wurde ich wütend.

Ich hatte doch alles im Griff!

Denn mein Vater war Alkoholiker, lag mit der Schnapsflasche im Bett und war oft sturzbetrunken. So war ich doch nicht, ich hatte doch alles im Griff! Die Kinder, das Haus, den großen Garten und die vielen Tiere. Insgeheim wusste ich allerdings, dass mein Trinkverhalten nicht normal war. Aufhören wollte und konnte ich nicht. Ich versuchte weniger zu trinken – nur noch am Wochenende und auf Feiern – aber das funktionierte nicht. Immer wenn ich nur eine Flasche Bier trinken wollte, wurden sechs oder sieben Flaschen daraus. Ich trank jetzt auch immer häufiger Schnaps.

Weil ich Selbstmord-Gedanken hatte, rief ich häufiger die Telefonseelsorge an.
Als mein Vater operiert werden musste und auf die Intensivstation kam, wohnte meine Mutter kurzzeitig bei mir und wir fuhren täglich ins Krankenhaus. Um das zu schaffen, trank ich morgens 54-prozentigen Rum, damit ich meinen Alkoholspiegel hatte, der ein paar Stunden anhielt. Kurz darauf starb mein Vater.

 

Entweder aufhören zu trinken oder sterben!

Endlich war ich soweit, mir selbst einzugestehen, dass ich alkoholsüchtig bin. Ich ging zum Hausarzt, der mir eine stationäre Entgiftung empfahl. Danach besuchte ich eine Selbsthilfegruppe, die mich sehr herzlich aufgenommen hat. Nach vier Monaten hatte ich allerdings einen Rückfall, der beinahe tödlich endete. Da wurde mir klar: entweder aufhören zu trinken – oder sterben!

Heute gehe ich regelmäßig zu den Gruppentreffen des Deutschen Frauenbunds für alkoholfreie Kultur und nehme an den angebotenen Seminaren teil. Mit Hilfe von ganz lieben Menschen bin ich zunehmend selbstbewusster und angstfreier geworden – ohne Alkohol.

 

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