Hildegard (63): „Alkohol, Antidepressiva und Schmerzmittel sind eine teuflische Falle“

Frauen erkranken weit häufiger an Depressionen als Männer. Auch ich bin betroffen. Längst ist diese Krankheit kein gesellschaftliches Tabuthema mehr, aber das ändert nichts an meinem Leidensdruck. Seit vielen Jahren werde ich von Depressionen heimgesucht.

In einer depressiven Phase fühle ich mich leer, niedergeschlagen, antriebslos und unendlich traurig. Ich empfinde keine Zuversicht für mein weiteres Leben und bin in mir selbst gefangen. Der Kontakt zu anderen, auch nahestehenden Menschen, wird beeinträchtigt durch meine Interessenlosigkeit, Sprachstörungen und den Umstand, manche Tätigkeiten nicht mehr ausführen zu können.

Ganz wichtig für mich ist die Inanspruchnahme der kompletten Palette an Therapiemöglichkeiten – in den letzten Jahren hat sich hier viel getan. Je nach Ausprägung der Depression habe ich Medikamente, Psychotherapie oder auch zeitweise beides genutzt.

Als ich mit der Einnahme von Antidepressiva begann, war die ersten sechs Wochen immer eine echte Herausforderung für mich, denn ich hofft auf eine sofortige Verbesserung – die aber ließ zunächst auf sich warten. Die Nebenwirkungen jedoch waren sehr schnell zu spüren: anhaltende Müdigkeit und Gewichtszunahme.

Um einen Termin bei einem Facharzt für meine psychotherapeutische Behandlung zu bekommen, musste ich mich im depressiven Zustand durchtelefonieren und dann eine Wartezeit von mehreren Monaten akzeptieren. Hilfreich waren da die Beratungen der Krankenkasse, das Bündnis gegen Depressionen und der Psychotherapie-Informationsdienst.

Erleichterung durch Alkohol schien die naheliegende Lösung zu sein

Bevor ich bereit war, diese Hilfen in Anspruch zu nehmen, weigerte ich mich, meine vermeintlichen Schwächen und Defizite als Erkrankung zu akzeptieren. Als nichts mehr zu helfen schien, gute Ratschläge und Hausmittel erfolglos blieben, schien mir die Erleichterung durch Alkohol die naheliegende Lösung zu sein, um mein Befinden zu bessern.

Aus eigener Erfahrung kann ich davon abraten. Die kombinierte Verwendung von Alkohol, Antidepressiva und Schmerzmitteln ist eine teuflische Falle und eine gefährliche Mischung! Erst die Einsicht, dass nur professionelle und fachärztliche Hilfe der richtige Weg ist, brachte mich 2013 in einen Alkoholentzug mit anschließender Therapie.

Bis heute bin ich in einer Sucht-Selbsthilfegruppe. Im Moment geht es mir gut. Ich nehme Medikamente und bin seit 2017 in psychotherapeutischer Langzeit-Behandlung.

Es hilft mir sehr, mit einer Fachfrau meine „Baustellen“ zu besprechen und neue Perspektiven für mich zu entwickeln. Durch Bewegung – am liebsten Atemtherapie und Yoga im Freien – versuche ich, meinen Stresslevel zu senken. Ich gehe achtsam mit mir um und lerne langsam, meine Erkrankung zu akzeptieren, mir meiner selbst bewusst zu werden, in der unausweichlichen Wahrheit: Die Depression gehört zu meinem Leben!

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