Ilona (63): Im Teufelskreis von Depressionen und Alkohol

Bereits im Alter von 18 Jahren empfand ich häufig Gefühle tiefer Traurigkeit, der Überforderung, der Antriebslosigkeit, hatte Angst vor dem Leben und ein fehlendes Selbstwertgefühl. Diesen Gefühlen stand ich hilflos gegenüber, und es machte mir zusätzliche Angst, was da Unbekanntes in mir vorging. Dass es sich bereits zu diesem Zeitpunkt um Depressionen handelte, wurde mir erst Jahre später bewusst.

1974 war das Wort Depression stigmatisiert – so etwas galt als Charakterschwäche oder als Zickigkeit, aber nicht als Krankheit. Und so etwas gab es in unserer Familie einfach nicht. Deshalb sprach ich auch nie über meine Symptome, schleppte mich durchs Leben und machte alles mit mir selbst aus. Irgendwie ging es ja auch, ich funktionierte. Ich machte mein Abitur und schaffte eine Berufsausbildung.

Dann kam der Tag, an dem ich meinen „Freund Alkohol“ kennenlernte, der mir das Leben leichter und erträglicher machte, denn ich konnte meine Sorgen und meinen Kummer regelrecht ertränken, musste meine negativen Gefühle nicht aushalten. Dass ich aber durch den regelmäßigen Konsum von Alkohol in einen fatalen Teufelskreis geriet, war mir nicht klar.

Sobald ich keinen Alkohol mehr zu mir nahm, verstärkten sich meine depressiven Symptome und ich fiel wieder in ein Loch und um eine entsprechende, erleichternde Wirkung zu erzielen, brauchte ich immer mehr von der Droge Alkohol und stärkere Konzentrationen. So stieg ich von Wein und Sekt auf Wodka und andere harte Spirituosen um.

Im Laufe der Zeit verschlechterte sich mein Zustand so sehr, dass ich nachts nicht mehr schlafen konnte, von großen Ängsten geplagt wurde und am Rande der Verzweiflung war. Zudem verlor ich meinen Job. Ich hatte mein Leben nicht mehr im Griff und fühlte mich fremdgesteuert.

Es folgten zahlreiche Behandlungen in psychiatrischen Kliniken, Einstellung auf Psychopharmaka und Psychotherapie. Alle Maßnahmen brachten nur kurzfristige Besserungen, denn mein Alkoholproblem bestand ja weiterhin.

Dann endlich im Rahmen einer Entgiftungsbehandlung und Aufenthalt in der Psychiatrie kam ich durch einen glücklichen Zufall in Kontakt mit der Selbsthilfegruppe des Deutschen Frauenbundes für alkoholfreie Kultur. Nun begann ich endlich, mich mit meiner Alkoholproblematik auseinanderzusetzen und gestand mir meine Abhängigkeit ein. Zudem wusste ich, dass ich das Leben, was ich vorher geführt hatte, nicht mehr aushalten wollte und konnte.

Die regelmäßigen Gespräche in der Gruppe taten mir gut. Unter anderen Betroffenen fühlte ich mich verstanden und aufgehoben. Eine 14-wöchige Langzeittherapie in Dormagen, wo nicht nur die Alkoholproblematik, sondern auch meine Depressionen und mein Trauma behandelt wurden, öffneten mir eine weitere Tür zu dem Leben, das ich heute dankbar führe. Ich kenne inzwischen die Ursachen meiner Depressionen, die die Alkoholabhängigkeit begünstigt haben, dies ist sehr hilfreich.

Seit drei Jahren lebe ich nun zufrieden abstinent, besuche nach wie regelmäßig meine Selbsthilfegruppe und nehme an zahlreichen Seminaren teil, die mir bei meiner persönlichen Weiterentwicklung und der abstinenten Lebensweise sehr hilfreich sind. Medikamente nehme ich keine mehr, denn ich habe es gelernt, meine Gefühle zu regulieren und komme ohne Drogen mit den guten und weniger guten Zeiten des Lebens klar.

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