Reni (63): „Ein unbeschreibliches Freiheits- und Glücksgefühl“

Alkohol war mein ständiger Begleiter. Von Kindheit an, kam ich mit Alkohol in Berührung. Mein Vater war ebenfalls Alkoholiker und meine Mutter tablettenabhängig. Ich suchte mir immer Menschen aus, die gerne mit mir tranken. Vor zehn Jahren trennte ich mich von meinem Mann, da ich die Sprachlosigkeit, Gleichgültigkeit und das Einsamkeitsgefühl in unserer Ehe nicht mehr ertrug. Ich war unglücklich, mich plagten Selbstzweifel und ich hatte irgendwie mein Leben nicht mehr im Griff. Ich weinte viel.

Dann lernte ich einen neuen Partner kennen. Ich fühlte mich zunächst als Frau wieder anerkannt und konnte kreativ und nach meinen persönlichen Vorstellungen leben. Wir erlebten eine schöne gemeinsame Zeit mit vielen kulturellen Ausflügen. Ich hatte kurze Zeit das Gefühl, das Leben wieder zu erleben. Doch schon bald musste ich erkennen, dass Alkohol unsere Beziehung dominant prägte. Wieder fiel ich in ein Loch.

Als vor zwei Jahren mein Schwager am Korsakow-Syndrom verstarb, stand für mich fest, ein abstinentes Leben anzustreben, denn so wollte ich nicht enden. Hierzu gehörte auch die Trennung von meinem Partner. Schließlich habe ich mich auf einem Familienfest als Alkoholikerin geoutet, obwohl ich das Gefühl hatte, alle wussten es bereits, zumal ich mich auch äußerlich sehr verändert hatte.

Meine Schwiegertochter, die in einer Suchtberatungsstelle arbeitet, gab mir den Rat, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schnell suchte ich mir dann Hilfe bei der örtlichen Caritas-Suchtberatungsstelle, wo ich auch die Kontaktdaten der Selbsthilfegruppe des Deutschen Frauenbundes für alkoholfreie Kultur bekam. Seitdem habe ich einmal pro Woche ein Gespräch mit meiner Suchtberaterin, und alle zwei Wochen treffe ich mich mit den Frauen der Selbsthilfegruppe.

Ich kann sagen, dass ich es ohne diese Hilfe und die meiner Familie nicht geschafft hätte, trocken zu bleiben. In meiner Selbsthilfegruppe kann ich mit den Frauen über all meine kleinen und großen Probleme reden, kann weinen, aber auch lachen und nehme viele persönliche Erkenntnisse mit. Außerdem werden vom Landesverband des Frauenbundes viele interessante Tages- und Wochenendseminare angeboten, die nicht nur lehrreich sind, sondern auch der Erholung und dem Abstand vom Alltag dienen. Unter den Frauen fühle ich mich verstanden und aufgehoben.

Im letzten Jahr habe ich noch eine Langzeittherapie gemacht, was für mich eine absolute Bereicherung war. Hier wurden auch meine Depressionen diagnostiziert und behandelt. Ich habe den Umgang mit meinen depressiven Phasen gelernt. Seit zwei Jahren nehme ich wieder bewusst am Leben teil. Das Leben ohne Alkohol ermöglicht ein unbeschreibliches Freiheits- und Glücksgefühl.

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